« Zurück zur Übersicht Heft Nr. 7 (Jg. III, H.2/2008) (ISSN 1862-9695; ISBN 978-3-8322-7258-6)
Energiepflanzen und ländlicher Raum Aloys Hüttermann: Möglichkeiten und Probleme des Anbaus von Energiepflanzen (S.9-27)In diesem Beitrag werden folgende Aspekte der Energieerzeugung aus Energiepflanzen untersucht: Flächenbezogene Erträge an Biomasse; Energie- und Treibhausgasbilanzen von Energiepflanzen; der mögliche Beitrag der Energiepflanzen zur Energieversorgung von Deutschland und weltweit. Der Beitrag, den der Anbau von Energiepflanzen zur Energieversorgung in Deutschland leisten könnte, ist sehr begrenzt. Global würde sich eine großflächige Umwandlung von Ackerland in Energiepflanzenplantagen katastrophal auf die weltweite Lebensmittelversorgung auswirken. Der einzige Weg, der hier zu einer Lösung führen könnte, wäre die Renaturierung der in der Vergangenheit durch den Menschen zerstörten Flächen durch ökologisch sinnvolle Aufforstungen. Jürgen Hasse: Energiepflanzen statt Nahrungsmittel – zum Beginn eines „grünen“ Postkolonialismus (S.28-47)Infolge umweltpolitischer Setzungen werden unter den „nachwachsenden Rohstoffen“ insbesondere die sog. »Energiepflanzen« als Alternativen zum mineralischen Treibstoff angesehen und entsprechend gefördert. Da die EU-weiten landwirtschaftlichen Nutzflächen aber bei weitem nicht ausreichen werden, um die steigende Nachfrage zur Produktion von Biodiesel und Bioethanol zu decken, werden in großem Umfang Handelsvereinbarungen mit Produzenten in tropischen und subtropischen Großräumen in der sog. Dritten Welt abgeschlossen. Vor allem in Afrika, Asien und Lateinamerika wird es zu einer Konkurrenzsituation zwischen dem Anbau von Pflanzen für die menschliche Ernährung auf der einen und ihrem Anbau für die Herstellung von Treibstoff für Autos auf der anderen Seite kommen. Die ethischen Implikationen der Forcierung dieser nur scheinbar nachhaltigen Umwelt- und Energie-Politik stehen im Mittelpunkt des Beitrages.
Joachim Grube: Dorf als Standort alternativer Energien (S.48-63)Den Urbewohnern der Dörfer, den nach dem Strukturwandel verbliebenen Landwirten, ist als dritte gesellschaftliche Aufgabe nach der Produktion von Nahrungsmittelgrundstoffen und der Pflege der Kulturlandschaften nun auch die teilweise Erzeugung alternativer Energien auferlegt worden. Denn die von ihrer Effizienz und damit von ihrer ökopolitischen Bedeutung her relevanten erneuerbaren Energien – die Windkraft-, Solar- und Photovoltaik- sowie Biogasanlagen – werden weitgehend unter Inanspruchnahme landwirtschaftlicher Nutzflächen auch teilweise von Landwirten betreut. Während Windkraftanlagen wegen der angestrebten Effizienzsteigerung und der damit bedingten Dichte- und Größenzunahme bereits eine gesellschaftliche Akzeptanzgrenze in einzelnen Landschaften vor allem Norddeutschlands erreicht haben, erscheinen Solar-, Photovoltaik- und Biogasanlagen aufgrund ihrer geringeren Größe und der strengen Genehmigungsauflagen als weiterhin ausbaubare und integrierbare Alternativen. Leerstehende Wirtschafts- und Nebengebäude können sogar als Standorte von Solar- und PV-Anlagen eine neue Existenzberechtigung erfahren und so vor dem Abriss bewahrt werden. Hans Thie : Mit Bioenergie aus der Negativspirale – was man aus erfolgreichen kommunalen Modellen lernen kann (S.64-82)Vom reinen Ressourcenlieferanten zum integrierten „Renewable Energy Provider“ – das ist für Dörfer und Stadtkommunen in ländlichen Regionen eine vielleicht kühne, aber keine unrealistische Vision. Wie der ökologische Strukturwandel zu einer ökonomischen Chance historisch neuer Qualität werden kann, zeigen kommunale Energie-Initiativen, die hinsichtlich ihres „Produktionsmodells“ verglichen werden. Angesichts der Disparität zwischen hochproduktiver Landwirtschaft und drastischen sozialen Schieflagen haben Projekte einer „Energiewende von unten“ für den nordostdeutschen Raum eine besondere Bedeutung. Mit ihnen kann man eigenständig und ohne Abhängigkeit von externen Investoren Negativspiralen überwinden. Kompetente Initiatoren sind dabei die entscheidende Variable. Deshalb sind im Unterschied zu den üblichen Potenzialanalysen vor allem die Akteurskonstellationen zu betrachten. Ein solcher subjektzentrierter Ansatz kann nachvollziehen, wie sich Chancen und Optionen tatsächlich in Verhalten verwandeln.
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