Norbert Fischer : Aristokraten im Außendeich – Über symbolische Auseinandersetzungen zwischen Obrigkeit und regionaler Gesellschaft im Kehdingen des 19. Jahrhunderts (S.10-28) Die zwischen 1840 und Mitte der 1860er Jahre schrittweise umgesetzte Eindeichung der bisherigen Außendeichsländereien von Nordkehdingen (Niederelbe), die insgesamt mehrere tausend Hektar umfasste, zählt zu den bedeutenderen wasserbaulichen Projekten des 19. Jahrhunderts an der Nordseeküste. Darüber hinaus ist das Projekt aus wirtschafts-, sozial-, technik- und nicht zuletzt politikhistorischen Gründen höchst aufschlussreich. Erstens bewies die Eindeichung das gesellschaftliche und wirtschaftliche Potenzial des Kehdinger Großbauerntums um die Mitte des 19. Jahrhunderts. Zweitens gibt es wichtige Einblicke in den Stand der Deich- und Entwässerungstechnik. Drittens realisierte die Kehdinger Marschenaristokratie die Eindeichungen auf politischer Ebene gegenüber dem königlich-hannoverschen Staat in eigener Regie. Resümierend zeigte sich in diesem Projekt die hohe praktische und symbolische Bedeutung des Deiches für die bis weit in die Neuzeit hinein weitgehend selbstständigen Marschenländer an der Nordseeküste und der Niederelbe. Die Notwendigkeit, sich angesichts der gegebenen topografischen Bedingungen gegen das Wasser kollektiv organisieren zu müssen, hatte zu einem besonderen, vom Großbauerntum repräsentierten gesellschaftlichen und politischen Selbstbewusstsein geführt. Elisabeth Meyer-Renschhausen : Ernährungssicherheit durch Subsistenzwirtschaft – Von der bäuerlichen Hauswirtschaft zur Urban Agriculture (S.29-43)Der Welthunger vermehrt sich weltweit, obschon die produzierte Lebensmittelmenge ständig wächst. Aber die zusätzliche Lebensmittelproduktion landet auf den kaufkräftigen Märkten des reichen Nordens statt auf den Märkten des Südens. Ohnehin können die meisten Kleinbäuerinnen sowie die neuen Tagelöhner des informellen Sektors in den Megastädten der Dritten Welt kaum Lebensmittel kaufen, da sie nicht genügend Geld verdienen können. Sogar die neuen Städter greifen daher - in der Dritten Welt sowie weltweit - vermehrt zum Mittel der Selbsthilfe. Weltweit wächst das Phänomen der urban agriculture, der städtischen Landwirtschaft. Ernährungssicherheit ist weltweit nur durch Subsistenzwirtschaft zu erreichen, solange es keine Stellengarantie und ausreichende Löhne für alle gibt. Andrzej Kaleta : Polnische Bauern im Prozess der EU-Integration – Erfolg oder Misserfolg ? (S.44-50)Trotz vieler Befürchtungen und Ängste – etwa vor der Liquidierung der kleinen Bauernhöfe, dem Überangebot von Lebensmitteln aus anderen EU-Ländern oder dem Ausverkauf polnischer Grundstücke an Ausländer – wurde der EU-Beitritt Polens im Jahre 2004 zu keinem traumatischen Erlebnis für die polnischen Landwirte. Vielmehr verliefen die ersten Jahre der EU-Mitgliedschaft erfolgreich. Der Anteil der mit der EU-Mitgliedschaft zufriedenen Bauern stieg von 38% im Jahr 2004 schon im nächsten Jahr auf 72% und im Jahr 2006 sogar auf 80%. Der wichtigste Grund dafür war der Anstieg der landwirtschaftlichen Einkommen. Die Einbeziehung der polnischen Bauern in die Gemeinsame Agrarpolitik bewirkte auch eine sehr positive Veränderung ihrer Beziehungen zum Marktgeschehen und seinen Finanz- und Beratungsinstitutionen. Ein Resultat des Wandels ist eine Verbesserung der Lebensqualität auf dem Lande und ein gestiegenes Ansehen des Dorfes als eines idealen Lebensortes. Simone Helmle und Alissa Schick: Über frühe Umsteller im ökologischen Landbau (S.51-65)Ökologischer Landbau steht heute vor der Herausforderung, Produkte für einen wachsenden Markt zu erzeugen, ohne dabei an Glaubwürdigkeit zu verlieren. Mit dem Wachstum einher geht die Frage danach, welche Bedeutung Werte und weltanschauliche Haltungen für den ökologischen Landbau haben, bzw. in der Vergangenheit hatten. Exemplarisch wird gezeigt, wie Landwirte, die in den 1950er bzw. in den 1970er Jahren umgestellt haben, ihre Anfangszeit erlebten. Auf der Basis von 13 Leitfadeninterviews wurden dazu vier Fälle ausgewählt, deren Betriebe heute durch die nachfolgende Generation erfolgreich und aus Sicht des ökologischen Landbaus vorbildlich bewirtschaftet werden. Teil des Erfolges ist, dass diese Landwirte fest vom Sinn ihres Handelns überzeugt waren, dass sie überaus ausdauernd und belastbar waren und, dass es für sie selbstverständlich war, kollektiv zu handeln. Gelungener Erfahrungsaustausch, gekoppelt mit der Fähigkeit, Ideen zu haben und diese praktisch auszuprobieren, sind wichtige Entwicklungsfaktoren dieser Betriebe. Friedhelm Streiffeler : Motive und Merkmale von Nebenerwerbs-landwirten in Brandenburg (S.66-80)In dieser Studie wurden die Motive und Merkmale von Personen untersucht, die im Land Brandenburg Nebenerwerbslandwirtschaft betreiben, wobei die meisten zurück erstattetes Land nutzen. Es erfolgte eine qualitative Datenerhebung und Auswertung mit einer Herausarbeitung von Typen. Dabei ergab sich insgesamt ein breites Spektrum von materiellen und nicht-materiellen Motiven, das in 12 Typen strukturiert wurde. Es hängt weitgehend von der individuellen Biographie ab, welchem Typ der Befragte zuzuordnen ist. Der Heterogenität der Nebenerwerbslandwirtschaft muss in Zukunft mehr Beachtung gewidmet werden. Buchbesprechungen (S.81-90) Markus Küpker: Weber, Hausierer, Hollandgänger. Demographischer und wirtschaftlicher Wandel im ländlichen Raum: Das Tecklenburger Land 1750 – 1870. Frankfurt a.M. 2008 (Rez.: Karl Friedrich Bohler) Michael Corsten, Michael Kauppert und Hartmut Rosa: Quellen bürgerschaftlichen Engagements. Die biographische Entwicklung von Wir-Sinn und fokussierten Motiven. Wiesbaden 2008 (Rez.: Gerd Vonderach) |