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Land-Berichte. Sozialwissenschaftliches Journal
Heft 1 / 2011

Zusammenfassungen

Claudia Busch : Ganztagsschule und dörflicher Sozialraum (S.10-22)

Dörfliche Vereine befürchten teilweise, durch Ganztagsschulen in ihrer Existenz gefährdet zu werden. Die Agrarsoziale Gesellschaft e. V. hat nun festgestellt, dass andere Aspekte von Modernisierungsprozessen deutlich mehr Einfluss haben. Dazu gehören der demographische Wandel, die Veränderung der Arbeitswelt und die zunehmende Erwerbsorientierung von Müttern. Die Kooperation mit Schulen, vor allem aber auch untereinander wäre für Vereine eine Option, um diesen Herausforderungen zu begegnen. Lehrer und Schulleiter müssten dafür allerdings deutlich engagierter für eine wirkliche „Öffnung von Schule“ eintreten und die Arbeit von Vereinen mehr würdigen. Die Gestaltung entsprechender Kooperationen ist ein Teilbereich ländlicher Entwicklung und trägt zur Wohnortattraktivität bei.

Stefan Mann : Zur Natur des diversifizierten landwirtschaftlichen Haushaltes (S.23-42)

In diesem Beitrag wird zunächst ein theoretischer Ansatz vorgestellt, der Diversifikationsentscheidungen des landwirtschaftlichen Haushaltes mittels der relativen Attraktivität erstens der Nahrungsproduktion und zweitens des Familienbetriebes erklärt. Die empirische Analyse diversifizierter Aktivitäten Schweizer Bauernbetriebe zeigt, dass ein niedriges Haushaltseinkommen zur Diversifikation durch Arbeit außerhalb des Betriebes führt, während ein hohes Einkommen zu diversifizierten Aktivitäten auf dem Betrieb führt. Ferner wird gezeigt, dass Haushalte in Ackerbaubetrieben und Bergbetrieben und landwirtschaftliche Haushalte mit nichtlandwirtschaftlicher Ausbildung eher dazu neigen, Aktivitäten außerhalb des Betriebs aufzunehmen.

Anton Sterbling : Rückblicke und Reflexionen zur „Aktionsgruppe Banat“ (S.43-48)

In dem kurzen Beitrag wird aus einer subjektiven, aber zugleich ana­lytisch distanzierten Sicht die rumäniendeutsche Autorengruppe „Ak­tions­gruppe Banat“ vorgestellt. Dabei geht es um die Anfänge der li­te­rarischen Zusammenarbeit am Lyzeum von Groß-Sankt-Nikolaus im Banat, um das künstlerische Selbstverständnis und die provokative Publikations­tätigkeit dieser Gruppe, aber auch um die Wirkungen ihrer Literatur und die Reaktionen der rumänischen politischen Polizei, der Securitate, darauf.

Karl Friedrich Bohler : Historische Dorfordnungen in Hohenlohe (S.49-64)

Die Dorfordnungen in Hohenlohe, deren schriftliche Kodifizierung bis ins 15. Jahrhundert zurück reicht, sind seit dem 19. Jahrhundert immer wieder Gegenstand der Regionalforschung in Württembergisch Franken. Die Untersuchung der rechtlichen Bestimmungen macht deutlich, welcher Freiraum auf lokaler Ebene für bäuerliche Selbstverwaltung und eigenständige dörfliche Entwicklung in einem Territorium der „vorderen“, südwestdeutschen Reichskreise bestand, die sozialhistorisch als „individualisiertes Land“ bezeichnet werden. Punktuelle Vergleiche mit der Entwicklung im Oldenburgischen zeigen aber auch Ähnlichkeiten mit anderen Landschaften, was auf strukturelle Gemeinsamkeiten traditioneller bäuerlicher Wirtschaft und Gemeinschaft hinweist.

Ekkehard Seeber : Historische Dorfverfassungen – Unterschiede zwischen den Regionen Oldenburg und Hohenlohe (S.65-70)

128 noch bekannte Dorfordnungen von Hohenlohe und 92 Verfassungen der oldenburgischen Bauerschaften  sind ein guter Nachweis dafür, dass sich nach dem Ende des deutschen Bauernkrieges die bäuerliche Bevölkerung nicht aus der deutschen Geschichte verabschiedet hat. Der deutsche Bauernkrieg und der 30-jährige Krieg haben fürchterliche menschliche und materielle Verluste für die bäuerliche Bevölkerung gebracht, von denen indessen die Grafschaft Oldenburg weitgehend verschont blieb. Der Vergleich der bäuerlichen Rechtsquellen im sehr von den Kriegen betroffenen Hohenlohe und im verschonten Oldenburg zeigen eine kontinuierliche Weiterentwicklung des bäuerlichen Rechts auf Selbstverwaltung, die auch durch den absolutistischen Staat der  Frühen Neuzeit nicht beendet wurde.

Stephan Heinemann : Auswanderung aus dem Gebiet der Lüneburger Heide zwischen 1848 bis 1918 (S.71-86)

In der agrarisch geprägten Lüneburger Heide hatten Mitte des 19. Jahrhunderts (wie im gesamten Land Hannover) Konjunkturkrisen und der Niedergang des ländlichen Nebengewerbes zu einer ansteigenden Armut geführt, die besonders die kleinen Handwerker und unterbäuerlichen Schichten traf. Daher machten sie einen Großteil der überwiegend jungen, männlichen und ledigen Auswanderer aus. Von Bremerhaven oder Hamburg ausgehend traten sie eine mehrmonatige, entbehrungsreiche Schiffsreise an, die meist in die USA führte. Die dortige (zunächst) liberale Gesetzgebung, ständelose Gesellschaft und technische Fortschrittlichkeit bewirkte zusammen mit dem Fleiß und Ehrgeiz der Ankommenden, dass vielen von ihnen ein rascher sozialer Aufstieg gelang.

Wolfgang Grams : Routes to the roots: Nachkommen von Amerika-Auswanderern erkunden ihre Herkunftsregionen

Mehr als 7 Millionen Deutsche sind in die USA augewandert. Vor diesem Hintergrund entfaltet sich ein vom Verfasser maßgeblich mitentwickelter so genannter “Roots und Heritage” Tourismus, in dem die Nachkommen der Auswanderer ihre Herkunftsregionen erkunden. An einem Beispiel aus dem Nordwesten werden solche touristischen Exkursionen in die Auswanderungs- und Familiengeschichte beschrieben, die sich zugleich als Erkundungen der Kultur- Wirtschafts-und Sozialgeschichte des ländlichen Raumes darstellen. Im Beitrag werden die Motive der Besucher beschrieben und es wird erläutert, wie sich aus solchen Besuchen in einem regionalen soziokulturellen Netzwerk vor Ort innovative Tourismuskonzepte auch für die Regionen entfalten. Dabei wird auch die Transformation eines Hochschulprojektes des Autors in ein forschungsnah arbeitendes privates Institut beleuchtet. Und mit einem aus den USA entlehnten Konzept der Kulturvermittlung (“Brokerage of Culture”) wird eine anspruchsvolle Schnittstelle von Tourismus und historischer Forschung begründet.