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Land-Berichte. Sozialwissenschaftliches Journal
Heft 1 / 2012

Zusammenfassungen

Vera Sparschuh und Katja Rackow: Weiterbildung von Erzieherinnen und Erziehern im ländlichen Raum – Professionalisierungs-erfordernisse und Mobilitätshindernisse
(S. 9-31)

Im Jahr 2009 wurde im Rahmen eines Lehr-Lern-Forschungsprojektes eine Erhebung zu Weiterbildungsaspirationen von Erzieherinnen in Mecklenburg-Vorpommern vorgenommen. In dem Beitrag werden auf der Basis von mehr als tausend beantworteten Fragebögen Weiterbildungswünsche und Hindernisse diskutiert. Dabei wird insbesondere untersucht, ob die ländlichen Lebensbedingungen die Einstellungen und Berufsperspektiven von Erzieherinnen beeinflussen. Das kann vor allem in Bezug auf die Entfernungen bestätigt werden. Hier haben es Erzieherinnen im ländlichen Raum schwerer, sich an Weiterbildungen, besonders an langfristigen akademischen Weiterbildungen zu beteiligen.

Karl Friedrich Bohler: Krise und Ende der traditionellen bäuerlichen Gesellschaft im südwestfranzösischen Béarn aus der Sicht Bourdieus (S. 36-50)

Bourdieu beschreibt die traditionelle Bauernwelt des Béarn in Südwestfrankreich. Eine ihrer Besonderheiten bestand darin, dass sie nach Einführung des Code civil 1804 die dort geforderte Realteilung der bäuerlichen Betriebe im Erbgang durch Familienvertrag außer Kraft setzte und so an der Tradition der geschlossenen Besitzvererbung festhielt. Mit der Industrialisierung und der Verbreitung urbaner Lebensformen verliert dieses bauernkulturelle Muster seine Geltung, sowohl hinsichtlich des ökonomischen als auch des sozialen und symbolischen Kapitals. Sinnbildlich dafür steht der dramatische Wandel der Heiratschancen und -regeln: Die alte Bauernwelt stirbt einfach aus, wenn sich ihre Mitglieder nicht „modernisieren“.

Gerd Vonderach: Preußische Bauernbefreiung und ostelbische Landarbeiterproblematik. Die klassischen Studien von Georg Friedrich Knapp und Max Weber   (S. 51-70)

Noch Anfang des 20. Jahrhunderts umfasste die Landarbeiterschaft drei Viertel der landwirtschaftlichen Erwerbstätigen in Deutschland. Noch größer war ihr Anteil in den gutswirtschaftlich geprägten „ostelbischen“ Regionen. Sie war überwiegend das Ergebnis der Aufhebung und Ablösung der agrarfeudalen Herrschaftsstrukturen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, die Georg Friedrich Knapp in einer klassisch gewordenen Studie für die preußischen Provinzen im Osten unter dem seitdem eingeführten Stichwort der „Bauernbefreiung“ untersuchte. Er bezeichnete die dabei zu besitzlosen „freien“ Landarbeitern gewordenen ehemaligen gutsherrschaftlich abhängigen Bauern als die Benachteiligten dieser liberalen Reformen. Ihre prekäre Lage war dann seit Mitte des 19. Jahrhunderts Gegenstand mehrerer Enqueten genannter Erhebungen, u.a. der umfangreichen Enqueten des Vereins für Socialpolitik von 1891/92, deren intensive Bearbeitung für das ostelbische Deutschland durch den noch jungen Max Weber eine besondere Aufmerksamkeit fand.    

Karl-Heinz Grotjahn: Vom Exportschlager zur Touristen-Attraktion. 160 Jahre niedersächsischer Bodenschatz Kieselgur  (S. 71-92)

Der Beitrag stellt einen kaum bekannten im Tagebau geförderten Bodenschatz aus der Lüneburger Heide vor. Bei der Kieselgur handelt es sich um Siliziumdioxid-Schalen von Kieselalgen, die sich als Sedimente in zwischeneiszeitlichen Süßwasserseen ablagerten und durch spätere geologische Prozesse mit meterdicken Sandschichten bedeckt wurden. Entdeckt 1836 begann die wirtschaftliche Nutzung 1863. Die hohe Qualität verschaffte der Gur aus der Heide jahrzehntelang Weltgeltung. Ihre bemerkenswerten chemischen, physikalischen und morphologischen Eigenschaften prädestinierten sie für zahlreiche Einsatzmöglichkeiten, wie der Dynamitherstellung seit 1867 oder der Beimischung zu Wärmeschutzmassen bis in die 1920er Jahre. Heute sind die Filtrierung von Flüssigkeiten und die Verwendung als Füllstoff in Farben, Gummi und Kunststoffen die wichtigsten Einsatzzwecke. Kostengünstige Importe führten 1994 zur Schließung des letzten Tagebaus in der Heide.

Anton Sterbling : Korruption. Soziologische Betrachtungen unter beson­derer Berücksichtigung Rumäniens und Südosteuropas  (S. 93-111)

Ausgehend von der Frage, was „Korruption“ überhaupt ist, werden zunächst soziale und politische Verwerfungen in den Gesellschaften Süd­osteuropas angesprochen, in die sich Korruptionserscheinungen eingebettet finden und die zugleich die Korruptionsanfälligkeit begünstigen. Sodann werden aktuelle Beispiele der politischen Korruption sowie der Korruption staatlicher Amtsträger in Rumänien exemplarisch aufgezeigt und die Frage nach einer bestimmten Ursache politischer Korruption und der Korruptionsneigung politischer und wirtschaftlicher Akteure aufgeworfen, nämlich nach dem weitgehenden Fehlen funktionierender „Tugendmärkte“. Schließlich wird die Problematik der schwierigen analytischen Bestimmung und Abgrenzbarkeit der Korruption nochmals aufgegriffen und ein funktionalistischer Analyseansatz zur Ergänzung und Korrektur gängiger Betrachtungsweisen des Korruptionsphänomens vorgeschlagen.