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Land-Berichte. Sozialwissenschaftliches Journal. H. 1-2015

Zusammenfassungen

Karl Friedrich Bohler: Die soziale Fürsorge in der Gemeinde und im Wohlfahrtsstaat

Die Kommunen, Stadt- und Landgemeinden verlieren seit der Neuzeit generell in Europa an Befugnissen der Verwaltung ihrer Lebenswelt. Eine Ausnahme in diesem Prozess des Verlusts an Selbstverwaltung war lange Zeit der Bereich der sozialen Hilfen und Armenunterstützung. Das galt immer noch für die meiste Zeit des 19. Jahrhunderts. Erst mit der Bismarckschen Sozialgesetzgebung und dem (erzwungenen) Ausbau des Wohlfahrtsstaats nach dem Ersten Weltkrieg wurden die Gemeinden auch im Sozialbereich zu einem verlängerten Arm staatlicher Auftragsverwaltung. Eines der letzten Reservate kommunaler Autonomie – allerdings im Rahmen staatlicher Regelungen – stellt bis heute die Organisation der Kinder- und Jugendhilfe dar.

Elżbieta Raszeja und Gabriela Klause: „Hauländische” Landschaft der Umgebung von Nowy Tomyśl in Großpolen –
das Problem der Beständigkeit von räumlichen und architektonischen Formen unter den Bedingungen eines sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Wandels

In ländlichen Gebieten in Polen kann seit Jahrzehnten beobachtet werden, wie die traditionelle landwirtschaftliche Landschaft verschwindet. Es ist eine Folge des hohen Tempos des wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Wandels. Die Grundlage des Landschaftsschutzes bildet das Erkennen ihrer Eigenschaften und Besonderheit, die Bewertung des Erhaltungszustandes historischer Formen sowie ihrer Überlebenschancen unter Bedingungen des Wandels. Der vorliegende Beitrag präsentiert die Ergebnisse der von den Autorinnen geführten Untersuchungen in der Umgebung von Nowy Tomyśl in Großpolen, wo sich Ende des 18. Jahrhunderts infolge einer Besiedlungsentwicklung auf „hauländischem“ Recht eine besondere Landschaft etablierte – mit einer nach wie vor lesbaren und deutlichen Struktur, die jetzt einem wachsenden Druck der Gegenwart ausgesetzt ist.

Norbert Fischer: Kuhlen – Wühlen – Mergeln: Zur Geschichte einer agrarischen Meliorationstechnik in den Marschen

Beim Kuhlen (auch Wühlen oder Mergeln) handelte es sich um eine natürliche Methode der Bodenmelioration. Bekannt seit dem frühen 18. Jahrhundert in den Fluss- und Seemarschen an der Nordseeküste und den tideabhängigen Strömen, wurde sie zunächst manuell-handwerklich, später maschinell durchgeführt. Dabei wurde Material aus tieferen Bodenschichten geholt, um die oberen Erdschichten fruchtbarer zu machen. Die Erfindung einer speziellen Kuhlmaschine in den späten 1920er Jahren läutete eine neue, letzte Ära des Kuhlens in Norddeutschland ein. In mehreren Landkreisen an der Küste wurden so genannte Kuhlverbände gegründet, die staatliche Unterstützung beanspruchen konnten. Ende des 20. Jahrhunderts wurde das Kuhlen eingestellt.

Jens Hoffmann, Hermann Behrens und Peter Dehne: Demographischer Wandel und Landnutzung

Der demographische Wandel wird als einer der Treiber von Landnutzungsänderungen beschrieben. Ob und in welchem Umfang dies bestätigt kann, wurde im Rahmen eines Literatur-Reviews überprüft. Es zeigt sich, dass der demographische Wandel in den gewählten Handlungsfeldern unterschiedlichen Einfluss hat. Das Fehlen empirischer Grundlagen zum Untersuchungsgegenstand wurde als die zentrale Leerstelle identifiziert.

Mathias Wagner: „Wenn die Polen kommen, beginnt die Spargel­saison“

Am Beispiel eines Dorfes in Norddeutschland wird einleitend der wirtschaftliche und soziale Wandel skizziert. Als Besonderheit verfügt das Dorf, mit dem anonymisierten Namen Arnswald, über Bankfilialen und einen Lebensmittelladen. In der Gemeinde ist einer der größten landwirtschaftlichen Spargel- und Beerenbetriebe Deutschlands ansässig, der während der Erntesaison große Gruppen osteuropäischer Wanderarbeiter auch in Arnswald unterbringt. Der Artikel zeigt auf, welche Wege von Seiten des Betriebsinhabers eingeschlagen werden, um Konflikte zwischen den Einwohner von Arnswald und den Saisonarbeitern zu lösen. Am Beispiel der Akkordarbeit während der Spargelernte werden die Verdienstspannen der polnischen Arbeiter dargestellt und wird der Frage nachgegangen, warum diese Arbeiten für in Deutschland ansässige Saisonkräfte unattraktiv sind.

Gerd Vonderach: Das Land braucht Land-Pioniere. Plädoyer für eine landsoziologische Blickerweiterung

Viele ländliche Regionen in Deutschland erfahren schon gegenwärtig und erst recht erwartbar in der Zukunft eine durch Bevölkerungsschrumpfung und Abwanderung bewirkte Schwächung. Der Blick richtet sich in diesem Beitrag demgegenüber auf „Land-Pioniere“ als Akteure, von deren Initiativen auch in peripheren ländlichen Regionen innovative wirtschaftliche und kulturelle Impulse ausgehen. Man findet solche Land-Pioniere in vielfältiger Weise sowohl in der Erwerbswirtschaft als auch in vielen, oft ehrenamtlich getragenen kulturellen Initiativen. In dem Beitrag werden die bereichsspezifischen Voraussetzungen und zugleich einige eindrucksvolle Fallbeispiele von Land-Pionieren im Agrarbereich einschließlich anknüpfender Erwerbskombinationen und im ländlichen Kulturleben einschließlich regionaler Naturschutzinitiativen vorgestellt.