Zusammenfassungen Andrzej Kaleta : Die polnische Landsoziologie in der Zeit des Systemwandels in theoretisch-methodologischer Perspektive Die Zeit des Systemwandels brachte für die polnische Landsoziologie neue Herausforderungen bei der Analyse der gesellschaftlichen Konsequenzen der Übergangsprozesse vom totalitären zum demokratischen System. Dabei bildeten sich zwei theoretische Orientierungen innerhalb der Landsoziologie heraus. Eine an die Modernisierungstheorien anknüpfende Orientierung sieht die gewünschte Richtung des gesellschaftlichen Wandels auf dem Land und in der Landwirtschaft in der weiteren, durch die Einführung der Marktwirtschaft angetriebenen Urbanisierung und Industrialisierung. Dagegen betont eine anti-modernistische, an die Konzepte der nachhaltigen und endogenen Entwicklung anknüpfende Orientierung die Notwendigkeit, die familiären landwirtschaftlichen Betriebe zu erhalten, und betrachtet die ländlichen Räume als einen Komplex kostbarer und zeitüberdauernder ökologischer und sozialkultureller Werte. Insgesamt charakterisiert die neuere polnische Landsoziologie ein Pluralismus der Konzepte sowie ein Mangel an kohärenter Theorie für die Entwicklung der ländlichen Räume. Ihre stabilen methodologischen Grundlagen begünstigen aber den Fortbestand eines guten methodischen Niveaus der empirischen Forschung. Joachim Grube : Die Zukunft der Baudenkmalpflege In den Denkmalverzeichnissen der Bundesländer sind zurzeit etwa eine Million Baudenkmale eingetragen, was etwa 5 Prozent des Baubestandes entspricht. Hierunter fallen noch nicht die Zeugnisse der Nachmoderne der 1960er und 1970er Jahre, die einer kritischen Überprüfung auf Schutzwürdigkeit unterzogen werden müssten. Die Geschichte der deutschen Denkmalpflege beginnt mit den preußischen Baumeistern David Gilly und Karl-Friedrich Schinkel. Nach den Zerstörungen des 2. Weltkrieges und nach einer hektischen Abbruch- und Neubauphase folgte ein Bewusstseinswandel mit dem Ausrufen eines „Europäischen Denkmalschutzjahres“ 1975. Über neue Denkmalschutzgesetze und Förderprogramme konnten flächendeckend Maßnahmen der Stadtsanierung, der Dorferneuerung, der Altbausanierung und der Baudenkmalpflege realisiert werden. Bei eingeschränkten kommunalen Unterstützungsmöglichkeiten und reduzierten staatlichen Fördermitteln sind die Aufgaben der Erfassung, Sicherung, Pflege und Umnutzung sowie der an Bedeutung gewinnenden Rekonstruktion inzwischen verstärkt auf öffentliche und private Stiftungen sowie auf das bürgerliche Ehrenamt übergegangen.
Ulrich Harteisen : Stadtentwicklung als Gemeinschaftsaufgabe - Utopie oder
zukunftsweisende Weichenstellung? Der demographische Wandel mit seinen Folgen für Städte, Dörfer und Regionen ist vielfach beschrieben, es fehlen jedoch häufig die konkreten Strategien zur Gestaltung der Veränderungsprozesse. Hier setzt der Stadtentwicklungsprozess Duderstadt2020 an, der vom Familienunternehmen Otto Bock mit Sitz in Duderstadt angestoßen und finanziert wurde. In diesem Beitrag wird zunächst der Stadtentwicklungsprozess Duderstadt2020 beispielhaft beschrieben, wobei Prozesserfahrungen und die Herausforderung der Verstetigung des Prozesses im Mittelpunkt stehen. In der abschließenden Diskussion werden Motive, Vorteile wie Risiken, die mit der Rolle des Unternehmers als Gestalter seiner Stadt verbunden sein können, dargestellt und Anforderungen an eine innovative Stadtentwicklungsgesellschaft formuliert. Gerd Vonderach : Geschichtenhermeneutik als Ansatz einer lebensgeschichtlich ausgerichteten, interpretativen Sozialforschung In der Geschichtenhermeneutik geht es um ein methodisch angelegtes und geschichtenphilosophisch-anthropologisch vertieftes Verstehen von Menschen in ihrer jeweiligen lebensgeschichtlich und sozial geprägten Lebenspraxis und in ihrem Selbst- und Weltverständnis, wie es in ihren sprachlichen Selbstdarstellungen seinen zum Ausdruck findet. Den philosophischen Hintergrund dieses Ansatzes bilden die Geschichtenphilosophie von Wilhelm Schapp, die hermeneutisch inspirierte Anthropologie von Hans Lipps und die „Widerfahrnis“-Anthropologie von Wilhelm Kamlah. Der geschichtenhermeneutische Ansatz einer lebensgeschichtlich interessierten Sozialforschung erfordert adäquate Vorgehensweisen in der Feldforschung, in den Arbeitsschritten der Fallanalysen hin zur Gestalterschließung der umfassenden „biographischen Großgeschichten“ der Individuen und in der fallübergreifenden Fallreihenbildung mit der Absicht einer soziologischen Typenbildung. |