ZusammenfassungenAnton Sterbling : „System“ und „Lebenswelten“ im Sozialismus. Das Beispiel des multiethnischen Banats (S.10-33)Der Begriff der „Lebenswelt“, der in der Soziologie, aber auch in anderen Kulturwissenschaften eine wichtige Rolle spielt, hilft zusammen mit daraus abgeleiteten Konzepten wie „System“ und „Lebenswelt“ (Jürgen Habermas) wie auch anderen theoretischen Leitvorstellungen wie der der „partiellen Modernisierung“ die soziale Realität sozialistischer Gesellschaften genauer zu analysieren. Im vorliegenden Beitrag wird eine solche Analyse am Beispiel des multiethischen Banats erfolgen. Dabei soll insbesondere im Hinblick auf die Arbeitswelt, auf Feste und Feiern wie auch das Schulwesen und die Sprache gezeigt werden, wie diese wichtigen „lebensweltlichen“ Bereiche durch die kommunistischen Herrschaftsstrukturen durchdrungen wurden, aber auch, wie sie sich solchen „systemischen“ Vereinnahmungen entzogen und letztlich auch erfolgreich entsprechenden Gleichschaltungen und Homogenisierungen widersetzten. Letztlich kann man auf diesem Wege erkennen, dass die kommunistische Herrschaft auch und nicht zuletzt am Widerstand der vielfach noch traditional mitgeprägten „Lebenswelten“ gescheitert ist. Monika Kwiecinska-Zdrenka : Der Beitrag der Aktivitäten von Frauen zum sozialen Wandel in ländlichen Regionen Polens (S. 34-47) Die Beteiligung von auf dem Lande lebenden Frauen an öffentlichen Lebenssphären ist in Polen vor allem aus kulturellen Gründen sehr eingeschränkt. Ihre gesellschaftlichen Tätigkeitsfelder haben häufig einen recht konventionellen Charakter, z.B. in der Teilnahme am Landwirtinnenverein und in der Ausrichtung ihrer Aktivitäten auf Lösungen für Alltagsprobleme des Landlebens. Empirische Studien lassen indessen erkennen, dass die hierbei von Frauen unternommenen Handlungen unbeabsichtigt durchaus zu innovativen Veränderungen führen können, wenn sie in einem Umfeld erfolgen, das schöpferische oder innovative Lösungen für lokale Probleme begünstigt. Das fördert nicht nur das Selbstbewusstsein der Frauen, sondern verändert auch ihre Rolle im Prozess der lokalen Entwicklung. Ihre Erfolge bewirken zugleich auch eine Stärkung des Gefühls bei anderen lokalen Akteuren, Einfluss nehmen zu können. Die zunächst „unpolitischen“ Tätigkeiten der Frauen führen zur Ausbildung von Emanzipationskompetenzen und werden zum „Katalysator“ sozialer Veränderungen auf dem Lande. Gerd Vonderach : Binnenschiffer – zum historischen Wandel eines alten Berufs (S. 48-70) Der Beitrag stellt in gestraffter Form die Entwicklung des Binnenschiffergewerbes in Deutschland vor. Aus der vorindustriellen Flussschifffahrt entstand durch liberalisierte Organisationsformen, durch Kanalbauten und die technische Revolution der Dampf- und Motorschifffahrt im 19. und 20. Jahrhundert die moderne Binnenschifffahrt, die seit den 1960er Jahren von einem starken Schrumpfungsprozess erfasst wurde. Auch anhand eigener empirischer Studien in den 1980er Jahren wird über die Veränderungen im Arbeits- und Berufsleben der Binnenschiffer und über das berufsbiographische Selbstverständnis der selbständigen Partikulierschiffer berichtet. Erwähnt wird auch die vielfältige museale Präsentation der Binnenschifffahrtsgeschichte. Peter Bahn : „Glauben im Kraichgau“. Eine Ausstellung in Bretten (S. 71-79) Von April bis Oktober 2010 zeigte das Stadtmuseum Bretten (Landkreis Karlsruhe) im Rahmen des Gedenkjahres zum 450. Todestag Philipp Melanchthons die Ausstellung „Glauben im Kraichgau - eine Landschaft im religiösen Wandel“. Zum einen sollte gezeigt werden, welche religiösen Prägungen auf den in Bretten geborenen späteren Reformator in seiner Kindheit einwirkten. Zum andern sollte Aufschluss gegeben werden, wie er später auf die konfessionelle Entwicklung dieser Region zurückwirkte. Die Ausstellung nahm dabei die gesamte Religionsgeschichte des Kraichgaus in Form einer breiten Übersicht in den Blick. Der Bogen spannte sich von den vorchristlichen Religionen in der Region über die Geschichte der Christianisierung, der Klöster und der Reformation bis zu religiösen Minderheiten (Juden, Wiedertäufer, Waldenser), dem Fortleben magisch-sakraler Elemente im Volksglauben und dem Aufkommen des Islam als zuwanderungsbedingtem neuen religiösen Phänomen. Eingegangen wurde immer wieder auch auf bestimmte landschaftsprägende Auswirkungen einzelner religiöser Entwicklungen. Karl Friedrich Bohler : Die „Agrarrevolution“ in Hohenlohe im 18. Jahrhundert (S. 80-93) Die „Agrarrevolution“ im fränkischen Hohenlohe des 18.Jahrhunderts ist ein Beispiel für eine regionale Entwicklung, die sich auf die bäuerlichen Ressourcen stützte, wie sie im Conservation-Modell der Entwicklungsökonomie skizziert werden. Doch mit dem Übergang von der traditionellen Dreifelderwirtschaft zur Fruchtwechsel- und Kreislaufwirtschaft auf der Stufe der rationellen Landwirtschaft fand so etwas wie ein Take-off statt, der sich nicht auf Formen allmählichen Wandels reduzieren lässt. Mit anderen Worten: Der agrarökonomische Wandel in Hohenlohe war ein Take-off im Rahmen der Konservation (also Bewahrung und Entfaltung) bäuerlicher Landwirtschaft. Und das unterscheidet ihn von einem Take-off im Rahmen der „industriellen Revolution“.
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